Paradies voraus?
30.11.2010 | Finanzwelt
Die Entwicklung auf den Schifffahrtsmärkten bringt das Lächeln zurück auf die Mienen der deutschen Emittenten. Auch die Presse hat das bemerkt. „Fast alle Containerschiffe sind wieder unter Dampf“, meldete beispielsweise die „Welt“.
Die Charterraten sind wieder angestiegen, die Anzahl aufliegender Schiffe hat sich verringert. Auch der deutsche Zweitmarktindex für Schiffe befindet sich im Aufwärtstrend, Marktexperten erwarten außerdem für die nächsten Jahre einen weltweit wachsenden Containerumschlag. Diese Behauptungen belegen die ausgewählten Infografiken in diesem Beitrag.
Aber nicht alle Beobachter dieser Branche teilen diesen Optimismus. „Die meisten deutschen Schiffs-Emissionshäuser sind nicht ausreichend krisenerprobt und nicht in der Lage, erforderliche Restrukturierungsmaßnahmen selbständig umzusetzen!“
Die Wirtschaftsprüfer der KPMG und das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) gehen in ihrer aktuellen Branchenstudie „Maritimer Sektor – Herausforderungen in der Krise“ hart mit den deutschen Schiffsemittenten ins Gericht. Diese Kritik sorgt für Diskussionsstoff bei den Emissionshäusern.
„In Sachen Risikocontrolling und Transparenz besteht großer Nachholbedarf“, schreibt KPMG. Bisher sind „kaum innovative, zukunftsorientierte Ansätze“ zu erkennen. „Die Auswirkungen des Finanzierungsengpasses sind weitreichend und bergen auch für die Emissionshäuser Risiken, wie beispielsweise nicht bedienbare Kapitalverpflichtungen oder das Erliegen des gesamten Neugeschäfts. Dieser Mechanismus wird zu einer Marktbereinigung führen“, so die Studie.
„Genauso wenig wie Schiffsfonds über einen Kamm zu scheren sind, sollte man dies mit Emissionshäusern tun“, kritisiert Florian Maack, Geschäftsführer Nordcapital Emissionshaus, das Fazit der Wirtschaftsprüfer als zu pauschal. Allerdings haben die letzten Monate deutlich gezeigt, „… wer seine Hausaufgaben gemacht hat und wer nicht“, sagt Maack. Dr. Werner Großekämper, Geschäftsführer von Maritim Equity, findet den Vorwurf von KPMG, die Emissionshäuser seien nicht krisenerprobt genug, ungerecht: „Die meisten Emissionshäuser sind kaum älter als fünf Jahre und damit relativ jung. Sie hatten vor 2008 noch keine großen Krisen erlebt und können folglich gar nicht ‚krisenerprobt’ sein.“ Das Risikocontrolling sei aber von einigen Initiatoren „mit Sicherheit“ vernachlässigt worden. „Es steht außer Frage, dass bei Transparenz und Kommunikation immer Verbesserungen möglich sind“, greift Bernd Neitzel, Gesellschafter von Neitzel & Cie., Kritikpunkte der Studie auf. Die enge Zusammenarbeit mit den Reedereien, die Kommunikation mit Vertrieben und besonders mit den Investoren sind für Neitzel fester Bestandteil des Fondsmanagements und der Treuhandarbeit, um kritische Marktphasen zu bestehen. „Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auf die Breite des Marktes. Da mag die Professionalität sehr unterschiedlich ausgeprägt sein“, sagt Dr. Ralf Friedrichs, Vorstandsvorsitzender HCI Capital AG. Börsennotierte Emissionshäuser erfüllen aus seiner Sicht in Sachen Risikomanagement und Transparenz bereits heute hohe Anforderungen, die zukünftig für alle Initiatoren Maßstab sein müssten. „Die Studie behauptet in ihrer Einleitung: ‚Der aus den genannten Herausforderungen und Risiken resultierende Restrukturierungsbedarf kann oftmals durch die Marktteilnehmer aufgrund mangelnder Erfahrung nicht selbstständig befriedigt werden.’ Belege dafür sind in der Studie allerdings nicht zu finden“, kritisiert Fondshaus Hamburg.
Doch wann kann ein Emissionshaus als „ausreichend krisenerprobt“ angesehen werden?
Welche Maßnahmen sind in Krisenzeiten sinnvoll und erforderlich? Einige Schiffs-Emittenten hatten zur Krisenbewältigung auf die Aufnahme von Fremdkapital verzichtet und sich auf eine reine Eigenkapital-Finanzierung verlegt. Ein Konzept, das sich aus Sicht der Mitbewerber nicht bewährt hat. So hält Torben Kölln, Vice President Shipping von Buss Capital, reine Eigenkapitalfonds nicht für sinnvoll: „Eine angemessene Finanzierung durch Fremdmittel führt zur Reduzierung der Projektkosten. Dies erhöht letztlich die Rendite für den Anleger.“ Es sei zwar weiterhin schwierig, von den Banken Geld zu bekommen, diese würden sich sehr restriktiv in der Vergabe von Krediten zeigen. „Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass Banken sehr überzeugt von einem Projekt sind, wenn sie es finanzieren. Eine Finanzierung ist für die Anleger deshalb ein bedeutender Beleg für Qualität“, so Kölln. „Die Eigenkapitalfinanzierung von geschlossenen Schiffsfonds hat sich in der Krise nicht etabliert und wird sich nach unserer Einschätzung auch zukünftig nicht durchsetzen“, sagt auch Friedrichs. „Solange die Finanzierungskonditionen entsprechend günstig sind, wird es auch in Zukunft sinnvoll sein, Teile des Investments mit Fremdkapital zu finanzieren“, ergänzt er. Es sei allerdings davon auszugehen, dass die Banken zunehmend eine höhere Eigenkapitalunterlegung von Schiffsinvestments erwarten werden. Entsprechend werde sich die Relation von Fremd- und Eigenkapital verschieben. Aus Sicht der Hamburger Lloyd Fonds AG kann die Eigenkapital-Finanzierung hingegen eine gute Alternative zur EK/FK-Finanzierung sein: „Gerade in Zeiten der restriktiven Kreditvergaben bieten Eigenkapitalfonds den Anlegern den Vorteil, kein Zins- und Währungsrisiko tragen zu müssen. Vor dem Hintergrund eines hohen Sicherheitsbedürfnisses seitens der Anleger werden auch leicht sinkende Renditen kein Vertriebshindernis darstellen.“
Vor dem Hintergrund anziehender Schifffahrtsmärkte, aber mit der Kritik der KPMG noch in den Ohren, baten wir die deutschen Emissionshäuser um eine Bestandsaufnahme. Welche Schlüsse haben sie aus der Krise gezogen?
„Wir müssen das Vertrauen der Anleger in die Schifffahrt und in das KG-Modell als attraktive Kapitalanlage zurückgewinnen“, fordert Lloyd Fonds. Viele Emissionshäuser müssten sich weiter professionalisieren, nicht nur ein sehr gutes Management nachweisen, sondern auch ein exzellentes Fonds- und Risikomanagement.
Florian Maack von Nordcapital sieht das auch so: „Ein professionelles Management sowie eine rechtzeitige, transparente und vertrauensvolle Kommunikationspolitik gegenüber den Investoren sind das A und O.“Wer in schwierigen Zeiten kompetent und professionell agiere, könne seine Reputation in der Krise sogar stärken.
„Kapitalanlagen müssen heute vor allem in puncto Sicherheit und Transparenz nachvollziehbar sein“, ergänzt Marc Drießen, Vorstand der Hesse Newman Capital AG aus Hamburg.
„Zunächst haben wir unsere Geschäftsaktivitäten in Zeiten der Krise stärker diversifiziert und unserer Produktpalette um Immobilien- und Schiffsfonds erweitert“, zählt Torben Kölln, Buss Capital, konkrete Maßnahmen seines Unternehmens auf. „Im Bereich Schiffe konzentrieren wir uns auf klassische Marktsegmente, bei denen wir sicher sind, dass sie nachhaltig von Bedeutung für Weltwirtschaft und Welthandel sind: Containerschiffe und Bulkcarrier“, so Kölln.
Fondshaus Hamburg fordert, dass die Gesellschaftsverträge zukünftig krisensicherer gestaltet werden müssen. Dafür sei es notwendig, Regelungen zu schaffen, nach denen nicht durch Gewinne gedeckte Auszahlungen zurückgefordert werden können. „Es sollte mit einfacher Mehrheit in der Gesellschafterversammlung der Krisenfall festgestellt werden können und als Konsequenz entweder eine Rückzahlung von Auszahlungen oder der Verkauf des Schiffes beschlossen werden können“, so das Unternehmen.
„Eine Krise lehrt Demut“, sagt Sönke Fanslow, Geschäftsführer HansaTreuhand. Die Emissionshäuser sollten solide wirtschaften und sich von den „Verlockungen der Märkte“, z. B. schnelles Geld von den Banken, fernhalten. „Ein bisschen mehr Zurückhaltung tut allen Beteiligten gut“, so Fanslows Fazit.
Die Stellungnahmen zeigen einen deutlichen Trend: Die Emissionshäuser haben erkannt, dass eine verstärkte Kommunikation mit den Anlegern die wichtigste Voraussetzung ist, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies hatte finanzwelt in der Vergangenheit wiederholt gefordert (siehe Ausgabe 5/2010: „Kommunikation ist alles!“). Es bleibt abzuwarten, ob es sich um bloße Absichtserklärungen der Initiatorenhandelt, oder ob sie ihre Worte mit Leben füllen.