DE / EN

Schiffsfonds-Anbieter versuchen sich mit neuen Konzepten

18.11.2009 | faz.net

Zu oft herrscht in Hamburg auch tagsüber Abendstimmung

 

Im Zuge der Finanzkrise geriet auch die Schiffsfondsbranche tief in Nöte. Doch während sich die Lage auf den Aktien- und Rentenmärkten rasch zumindest trügerisch entspannt hat, scheint die Krise der Schifffahrt immer tiefer zu werden.

 

Betrachtet man die langfristige Entwicklung des Baltic Dry Index, der die Entwicklung der Massengutfrachtraten auf den 25 weltweit wichtigsten Seefrachtrouten misst, seit 1985, so liegt die Ursache zumindest für die Containerschifffahrt eindeutig auf der Hand. Bewegte sich der Index bis September 2003 innerhalb einer beständigen Bandbreite zwischen rund 800 und rund 2200 Punkten, schoss er bis November 2003 auf mehr als 4000 Stellen. Letztlich endete die Hochfahrt im Mai 2008 bei 11.793 Punkten. Dann platzte die Blase und es folgte ein Zusammenbruch bis auf 671 Punkte.

 

Widersprüchliche Indikatoren

 

In der Realwirtschaft hatte dieser kurze Boom zu riesigen Überinvestitionen geführt mit entsprechend nachlaufenden Folgen: Viel zu viel Schiffe befanden sich im Bau, die gar nicht benötigt werden.

 

Insgesamt konstatiert die Fachzeitschrift Hansa International Maritime Journal nun zwar eine allmählich Erholung im Containerverkehr. So nähmen die Umschlagsvolumina wieder leicht zu. Auch ist der Baltic Dry Index mittlerweile wieder auf mehr als 4000 Punkte gestiegen. Dagegen wurde der vom Schiffsmakler Harper Petersen & Co. berechnete Harpex-Index für Containerschiffe zuletzt mit 319 Punkten festgestellt und notiert damit auf dem niedrigsten Niveau seit beginn der Erhebung im Jahr 1986. Auch der Index für Tanker des Schifffahrtsberaters Braemar befindet sich weiter auf historisch niedrigem Niveau.

 

Was Wunder also, wenn das Emissionsgeschäft der Schifffondsanbieter weiter darniederliegt. Das Emissionshaus Lloyd Fonds etwa plazierte im ersten Dreivierteljahr ein Eigenkapital knapp 32 Millionen Euro, wenig mehr als 10 Prozent des Volumens im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

 

Die Bilanz, die die Branche auf dem Forum der Zeitschrift Hansa vergangene Woche zog, könnte daher kaum schlimmer sein. Laut eine Hansa-Umfrage sind mittlerweile 13 Schifffonds insolvent, zudem ein Emissionshaus. 182 Fondsschiffe seien Sanierungsfälle, nur knapp ein Drittel der Gesellschaften konnte im Oktober Auszahlungen leisten.

 

Finanzierungsgeschäft steht still

 

Im Neugeschäft stehen die Emissionshäusern vor allem vor ungeahnten Finanzierungsproblemen. Bisher wurde das einzuwerbende Eigenkapital mit Bankkrediten zwischenfinanziert. Das sei auf absehbare Zeit vorbei, sagt Albrecht Gundermann, Geschäftsführer des Hamburger Emissionshauses Maritim Equity. „Für Schiffsfonds werden Eigenkapital-Zwischenfinanzierungen von Banken derzeit praktisch nicht mehr angeboten“, sagt Klaus Stoltenberg, Leiter Flugzeug- und Schiffsfinanzierung bei der Norddeutschen Landesbank.


Denn die fallenden Schiffspreise haben die Bewertungen vieler der bestehenden langfristigen Schiffskredite verschlechtert. Die Banken müssen sehr viele Kreditvereinbarungen restrukturieren. „Die Banken werden derzeit ungewollt zu Eigenkapitalgebern für Schiffsfonds, weil die Zwischenfinanzierungen nicht getilgt werden können und in den Büchern verbleiben“, so Stoltenberg.

 

Schuld daran seien die internationalen Eigenkapitalrichtlinien des Abkommens „Basel II“, schimpft Stefan Löwer, Chefanalyst der Ratingagentur für geschlossene Fonds G.U.B, in seiner Kolumne auf Cash.Online.


Die Banken hätten vorschriftsgemäß die ausgereichten Kredite in Abhängigkeit von der Bonität des Kreditnehmers und dem Marktwert des beliehenen Vermögensgegenstandes im Boom mit wenig Eigenkapital abgesichert, damit das Kreditvolumen enorm aufgebläht und so die Überhitzung des Marktes mit befeuert. Mit dem Sinken der Schiffswerte und der Bonitäten der Reedereien mussten sie immer mehr Eigenkapital zurückstellen - bis zum 25fachen der ursprünglichen Summe. Damit bleibt wenig Spielraum für Sanierungen und noch weniger für neue Kredite.


Die HSH Nordbank etwa musste allein im dritten Quartal die Risikovorsorge für Schiffsfinanzierungen um 600 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro erhöhen, was ein wesentliche Grund für ihren Quartalsverlust von 800 Millionen Euro darstellte.

 

Profitieren vom Preiseinbruch

 

Doch im Orderbuch der deutschen Reedereien und Emissionshäuser stehen nach Angaben von Maritim Equity derzeit noch immer etwa 1.200 Neubauten im Wert von knapp 45 Milliarden Euro. Derzeit stünden Fonds zur Zeichnung offen, die Schiffe zu deutlich höheren Preisen bestellt haben, als sie nun wert seien, so Maritime Equity.


Doch keine Krise ohne Chance: Vermehrt werden Fonds angeboten, die darauf setzen, Schiffe auf dem Zweitmarkt zu erwerben. Derzeit betragen die Preisabschläge bis zu 50 Prozent auf den ursprünglichen Neubaupreis, was die Renditeaussichten auch bei längerfristig niedrigen Charterraten deutlich verbessert.


Einen Nachteil haben diese Fonds gegenüber den herkömmlichen Ein-Schiff-Fonds: Weil Zwischenfinanzierungen kaum möglich sind, müssen sie in der Regel als sogenannte Blindpools aufgelegt werden, die zuerst Eigenkapital einwerben, noch bevor sie ein Objekt in Aussicht haben. „Anleger investieren bei einem Blindpool vor allem in die Fähigkeiten des Fondsmanagements. Es ist völlig verständlich, wenn sie lieber vorher wissen möchten, in welches konkrete Schiff sie ihr Kapital stecken“, sagt Gundermann, der Blindpools keineswegs als kurzfristige Notlösung verstanden wissen will.


Sie böten vielmehr dauerhaft geringere Finanzierungskosten, weil die Eigenkapital-Zwischenfinanzierung entfalle und mehr Investitionssicherheit, nicht zuletzt, weil Anleger auf dem aktuell gültigen Schiffspreisniveau investierten. Die eigenen Blindpools investieren darüber hinaus sukzessive in mehrere Schiffe, und streuten so das Risiko.

 

Konjunkturelle Perspektiven

 

Auf dem derzeitigen Niveau können diese Fonds möglicherweise eine gute Einstiegsmöglichkeit sein. Vorausgesetzt, die Erholung der Weltwirtschaft setzt sich fort und es gibt keinen neuerlichen Rückfall. Die Tatsache, dass der Baltic Dry Index sich so stark erholt hat, gibt zu denken, passt er doch im Gegensatz etwa zur Entwicklung des Braemar-Tanker-Index nicht zum Bild der kontinuierlichen Erholung und widerspricht auch dem Harpex-Index. Letzterer stellt auf die verfügbare Tonnage ab und gilt sogar als das bessere Konjunkturbarometer. Die jüngste Erholung des Baltic Dry dagegen wird auf den chinesischen Rohstoffimport zurückgeführt.

 

Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder. Text: mho

Dieser Beitrag ist am 18.11.2009 auf www.faz.net erschienen.


© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv