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Zu hoch geschraubt

19.10.2008 | €uro am Sonntag

Schiffsbau auf einer asiatischen Werft: Die Finanzierung ist keinesfalls sicher


von Michael H. Schulz


Wachstumsdellen
1997 – 1998
ziehen Linienreeder während der AsienKrise viele Containerschiffe aus dem Verkehr. Anders als derzeit gab es damals keine Kreditklemme.
Für bis Ende 1998 hergestellte Schiffe konnten -Anleger neben der regulären Verlustzuweisung von über 100 Prozent auch noch eine 40-prozentige -Sonderabschreibung kassieren. Dieser Steueranreiz führte zu einem Bauboom und einem Überangebot.
11. September 2001 Die Nachfrage nach Frachtraum sinkt nach den Terroranschlägen drastisch.
2. Quartal 2008 Containertransport per Schiff zwischen Asien und Europa geht zurück. Frachtraten sinken.

 

Die Kapitäne des Welthandels stecken in der Klemme. Weil deutsche Reeder nicht Onassis sind, müssen sie sich für die Erneuerung ihrer Flotte viel Geld besorgen. Doch die klassische Methode – Kreditzusage einholen, Schiff bestellen und dann Geld von Anlegern einsammeln– geht immer seltener auf.
Seitdem die leichtfertig in Wertpapieren gebündelten Kreditausfallrisiken von US-Immobilienhypotheken den Banken um die Ohren flogen, knausern die Geldhäuser mit der Vergabe von neuen Krediten. Grund: Die hohen Abschreibungen aus den Hypothekenverbriefungen haben ihr Eigenkapital schmelzen lassen. Dank der Kapitalspritzen der Regierungen werden sie zwar wieder Finanzierungen machen, aber die werden sicher teurer als bisher. Denn weil Banken jeden neuen Kredit mit mehr Eigenkapital in ihren Büchern unterlegen müssen, fordern sie von Reedern einen höheren eigenen Einsatz. „30 bis 40 Prozent der Gesamtfinanzierung können das schon sein“, verdeutlicht Jürgen Braatz, Herausgeber des Branchendiensts Ratingwissen, das Problem. „Banken haben an den Emissionshäusern gut verdient“, sagt Torsten Teichert, Vorstandsvorsitzender von Lloyd-Fonds. Deshalb glaubt er, dass die Geldhäuser mit solventen Initiatoren weiter Schiffe finanzieren werden.

Doch die Anlegergelder fließen angesichts hoher Baupreise, sinkender Frachtraten und der Verunsicherung durch die Finanz-krise nicht mehr so üppig. Für Fondsinitiatoren wird es zudem schwieriger, die hohen Preise für bestellte Schiffe mit sinkenden Frachtraten in Einklang zu bringen. Fällt gar ein Charterer aus, kann es zu Notlösungen wie bei Buss Capital kommen. Der Initiator wollte das Containerzubringerschiff MS Stadt Rendsburg platzieren, das in einen Beschäftigungspool eingebunden ist. Doch dann fiel die karibische -Europe West Indies Lines (EWL) als Charterer aus. Damit Anleger nicht verschreckt abspringen, beteiligten sich Buss Capital und der Schiffsmanager, die Reederei Thien & Heyenga, nachrangig mit je 375 000 Euro an der Platzierung.
Hintergrund: Solange Darlehen in Euro oder Yen günstig waren, Banken Kredite locker vergaben und die Ausfallrisiken in forde-rungsbesicherten Wertpapieren bündelten, brauchten Reeder nur wenig Eigenkapital für Bau oder Kauf neuer Frachter. Das Ei-genkapital besorgten sie sich von Anlegern über Geschlossene Schiffsfonds. 2007 waren das rekordverdächtige 3,5 Milliarden Euro. Insgesamt flossen in drei Jahrzehnten rund 30 Milliarden Euro in solche Schiffs-KGs. Jedes dritte Containerschiff, das über die Weltmeere schippert, finanzierten deutsche Fondszeichner – und verdienten bisher nicht schlecht damit. Über 36 Jahre gesehen erzielten Schiffsbeteiligungen laut Analysehaus Fondsmedia eine durchschnittliche Nachsteuerrendite von 6,5 Prozent im Jahr. Kam die Rendite bis 1998 überwiegend aus Abschreibungen, stammte sie seit 1999 aus dem Schiffsbetrieb selbst und wurde mit günstigen Darlehen gehebelt – doch das ist passé.
Eine Lösung für die derzeit schwierige Situation scheinen Maritim Equity und Hesse Newman gefunden zu haben. Die beiden Initiatoren drehen den Spieß einfach um. Statt Schiffe zu bestellen, die Kreditzusage einzuholen und dann ganz zuletzt Geld von Anlegern einzusammeln, sammeln die Initiatoren zuallererst Anlegergelder für einen Blindpool ein und gehen dann auf die Suche nach günstigen Schnäppchen. „Das Interesse der Branche ist riesig“, sagt Maritim-Equity-Geschäftsführer Albrecht Gundermann.
Maritim Equity stellt gerade mit 11,25 Millionen Euro 75 Prozent Eigenkapital zum Kauf eines Massengutfrachters bereit. Die restlichen 25 Prozent kommen von der Glückstädter Reederei Hermann Wulff. Gundermann sieht Maritim Equity aber nicht nur als Krisengewinner, sondern glaubt, mit dem neuen Konzept den Markt dauerhaft zu verändern. Schon seit einem Jahr sammelt Maritim Equity Geld ein und hat bereits über 30 Millionen zusammen. Gundermann: „Angesichts der vielen bestellten Schiffe werden wir unser Eigenkapital besser investieren können, als wenn wir erst ein Schiff bestellen und dann Geld einsammeln.“

Branchenbeobachter Braatz glaubt ebenfalls, dass das Konzept von Maritim Equity „für viele Reeder derzeit die einzige Möglichkeit ist, sich Kapital zu verschaffen“. Auch in puncto Wechselkursschwankungen ist das Konzept von Maritim Equity und Hesse Newman flexibler. Die Aufwertungen von chinesischem Yuan und US-Dollar gegenüber dem Euro werfen oft die Kalkulationen für den Baupreis über den Haufen, dann kommt es zu Nachverhandlungen. Laut Gundermann ein Grund mehr für Reeder, sich an Maritim Equity zu wenden. Denn der Fonds kann besser auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren.
Auch für Anleger kann sich ein solcher Blindpool derzeit lohnen. Die in Aussicht gestellte Rendite liegt bei sechs bis acht Prozent nach Steuern – wenn das Konzept aufgeht.