Kreditkrise könnte Dumping-Preise bei Schiffswerften auslösen
18.2.2008 | Lloyds List
Von Julian Bray in Houston
Schiffswerten werden gezwungen sein, neue Schiffe zu Dumping-Preisen zu verkaufen, da liquiditätsarme Schiffsbetreiber auf Grund der gespannten Lage bestehende Verträge nicht mehr finanzieren können, so die Warnung eines führenden Schifffinanzierers.
Laut Tobias Backer, dem Leiter der Schifffinanzierungsabteilung für Nord- und Südamerika bei Fortis Merchant Banking, wird es für Eigentümer wegen der globalen Kreditkrise sehr viel schwieriger, trotz sinkender Zinsen Gelder für Neuanschaffungen aufzubringen. „Je näher die Auslieferung neuer Schiffe kommt, desto mehr ziehen sich Eigentümer zurück“, warnte er Teilnehmer beim Mare Forum USA in Houston letzten Freitag. „Neuanfertigungen werden zu Ausverkaufspreisen verkauft werden.“ Als Beispiel für die wachsende Notlage des Marktes nannte Backer die Entscheidung von Jinhui Shipping and Transportation, eine Ablösungssumme von 4 Millionen US-Dollar für die Kündigung eines Vertrags für zwei Erz-Großtransportschiffe mit chinesischen Werften zu zahlen, obwohl das Unternehmen über einen 15-jährigen Chartervertrag mit chinesischen Stahlwerken verfügt. Des Weiteren äußerten ihm gegenüber leitende Mitarbeiter beim südkoreanischen Schiffbauriesen Samsung Heavy Industries vor kurzem Bedenken darüber, dass Eigentümer Schwierigkeiten haben würden, bestellte Schiffe zu übernehmen.
Backer sagte, er gehe zwar nicht davon aus, dass Blue-Chip-Werften wie Samsung Probleme haben würden, aber dass einige Werften in China, die ihre Vertragspartner nicht so rigoros überprüft haben, mit deren Zahlungsunfähigkeit rechnen müssten. Bei weltweit rund 10.000 in Auftrag gegebenen Schiffen schätzt man, dass die Schiffbauindustrie für Auslieferungen bis 2013 um die 350 Milliarden Dollar finanzieren muss. „Wir gehen davon aus, dass nicht so viel zur Verfügung stehen wird“, warnte Backer.
Backer, Leiter der Schifffinanzierungsabteilung bei Fortis in New York und zuständig für die Tiefsee- und Inlandsschiffsmärkte in Nord- und Südamerika, sagte über die Auswirkungen der Umwälzungen im globalen Kreditmarkt seit dem vergangenen August: „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Aber er sagte auch, Schiffseigner könnten mit ein paar Vorteilen rechnen. Trotz riesiger Kreditmargen in den letzten sechs Monaten auf Grund stark gesenkter Basiszinsen seien die Gesamtkreditkosten nicht gestiegen. „Die Gesamtkosten sind trotz höherer Margen nicht gestiegen“, sagte er. „Die Frage, die sich stellt, ist, bekommt man das Kapital?“
Auch Finanzier Paul Slater warnt seit einigen Monaten vor den Auswirkungen der Kreditkrise auf den Schiffbau, aber seiner Meinung nach werden diese noch viel weiter gehen. „Der ‚Ausverkauf’ von Schiffen wird sich auch auf die Preise von gebrauchten Tankern und Trockenladungsschiffen auswirken“, sagte er voraus. Im 4. Quartal 2007 habe es zwar im Jahresvergleich eine größere Anzahl von Konsortial-Schiffskrediten gegeben, dies sei aber größtenteils ein Überhang aus Verträgen, die vor der Kreditkrise im August geschlossen wurden. Er warnte, dass das 1. Quartal 2008 „sehr schwach“ sein werde. „Wir werden für einige Zeit nicht wieder so gute Bankkonditionen wie 2006 haben“, fügte er hinzu. „Wir müssen uns auf neue Leihbedingungen einstellen.“
Traditionelle Banken mit stabilen Endkundennetzwerken wie Nordea und DnBNor würden ihre Position im angeschlagenen Schiffsfinanzierungsmarkt behaupten können, sagte Backer. Institute wie die deutschen Landesbanken, die sich auf dem Großhandelsmarkt refinanzieren, würden viel stärker unter Druck geraten.
Branchenveteran und Lloyd’s List-Kolumnist Bill Gray fügte hinzu: „Die Schifffahrt ist, wie wir alle wissen, unbeständiger als die meisten anderen Branchen. Es wird jetzt ein paar große Gewinner geben, aber auch ein paar große Verlierer!“
Jinhui gab Ende letzten Monats bekannt, dass es die beiden Erz-Großtransportschiffs-Verträge im Wert von 122,6 Millionen Dollar, die erst im November 2007 mit China Shipbuilding & Offshore und Dalian Shipbuilding geschlossen wurden, ablösen wolle.
Das in Hongkong ansässige Unternehmen gab seine Probleme ganz offen zu. „Wir haben von Banken zwar mehrere Finanzierungsvorschläge für die beiden Großtransportschiffe erhalten, aber die Konditionen waren viel unflexibler als die uns bisher eingeräumten; …zusätzlich waren die Kreditkosten trotz unseres 15-jährigen Chartervertrages mit einem erstklassigen chinesischen Stahlwerk erheblich höher.“